14. November 2010 / „Gott“ im Emma-Theater Theater Osnabrück
Wir tun drei Sorten von Reisen. Da wären erstens die mit dem Flugzeug, in die USA, den Iran, durch vier Länder Zentralasiens, nach Lateinamerika und noch einmal nach Mexiko, in den Irak, nach Tunesien… Zweitens die mit der Bahn – an- abseits oder der Loreley abgewandt – in alle Länder des deutschen Sprachraums bis in die Schweiz oder nach Österreich.
Und dann gibt es andererseits noch die mit dem Bus.
Gut, der brachte uns einmal nach Frankreich. Sonst allerdings fährt er uns fast ausschließlich durch Nordrhein Westfalen. So oft es geht. Die Häuser kennen wir oft schon seit Jahren. Uns treue Orte, denen wir treu sind. Wir kennen die Fußgängerzonen und das eine Café, in das wir seit Jahren gehen, die eine Stunde bis es Zeit ist für Garderobe und Maske. Wir kennen das schmale, scharf beschnittene Kuchenstück der kurzen Wege, aus einem uns sonst ganz fremden Stadtkosmos geschnitten. Es ist immer das Gleiche und doch immer von neuem überraschend. Genau wie das Publikum.
Osnabrück, die Stadt des Westfälischen Friedens, ist, obschon bereits in Niedersachsen gelegen, einer dieser Orte. Das Theater Osnabrück und das Theater an der Ruhr pflegen eine Theaterpartnerschaft über Austauschgastspiele. Austauschgastspiele waren und sind nicht nur für die NRW-Theater in den Zeiten knapper werdender Kassen stets ein kreatives Mittel, dem Publikum eine reichere und überraschende Auswahl anzubieten. Zudem sind sie eine schöne Gelegenheit, die eigene Arbeit in einem neuen Kontext frisch zu erfahren. Wir spielen nicht das erste mal in Osnabrück. Das Theater Osnabrück hat auch bereits am Raffelberg gespielt. Die technischen Mannschaften kennen sich und arbeiten gern miteinander. Heute gastieren wir im Emma Theater, dem kleinen Spielort des Theaters Osnabrück, dass im dritten Stock des EMA Gebäudes untergebracht ist.
Die ehemalige Schule aus der Zeit der Jahrhundertwende ist ein besonderer Bau. Die ehemaligen Klassenzimmer sind mit ihrer Höhe an die fünf Meter wahre Säle zu nennen. Das Theater nistet oben in den eigenwilligen Räumen fast wie eine Vogelkolonie an einer Felswand. Eigenwillig klingen Geschichte, Improvisation und Gestaltung zusammen. Die kleine intime Bühne hat Charme.
Ob sie für „Gott“ taugt, ist fraglich. Die freche Komödie von Woody Allen über die Kulturindustrie und ihre nicht nur vom toten Gott sondern auch von allen guten Geistern verlassenen Kulturschaffenden, die dennoch nicht sinnlos als Staubkorn durch die Ewigkeit fliegen wollen, entfaltet sich dann am besten, wenn sie auf einer weiten, nackten und leeren Bühne wie auf einer Eisscholle ausgesetzt stattfindet. Hier, in diesem kleinen Raum, fühlt sie sich ein wenig wie auf eine trashige Sketch – Up – Show reduziert an. Aber sie zu spielen macht ebenso Freude wie es nicht nur den im Publikum auf ihren Auftritt wartenden Kollegen Spaß macht, zuzusehen. Man kann einen Abend tausendmal spielen und tausendmal gesehen haben: gelingt er, wird er immer wieder von neuem überraschen.
Im nächtlichen Bus, schlafend, über einem Buch oder in langen Gesprächen geht es direkt nach der Vorstellung zurück nach Mülheim. Vor dem nächtlichen Fenstern träumt man wie in einem Raumschiff oder einer Taucherglocke. Man weiß ja auch ein paar Stunden lang wo man ist. In NRW. Quasi zuhause.